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Einspruch gegen die Verwendung von Wahlcomputern bei der Bundestagswahl 2005

Mitteilung an die Öffentlichkeit

Prof. Dr. phil. Joachim Wiesner In Zusammenarbeit mit Dipl.-Phys. Dr. rer. nat. Ulrich Wiesner

 

Bundestag: Müssen mehr als zwei Millionen Wähler neu abstimmen?

Ein Verfassungsskandal

Ein Software-Spezialist und ein Politikwissenschaftler haben beim Deutschen Bundestag Einspruch gegen das Bundestagswahlergebnis vom September 2005 wegen der Verwendung von „Abstimmungs-Computern“ eines bestimmten Bautyps eingelegt. Sollten die Beiden mit ihrem Einspruch erfolgreich sein, so müßten – wenn es mit rechten (und rechtmäßigen) Dingen zuginge – mehr als zwei Millionen Stimmberechtigte (vielleicht sogar bis zu 2,5 Mio.) ihre Wahl wiederholen. Das Ganze ist ein Verfassungsskandal, verursacht vom Bundesministerium des Innern während der Amtsführung von Minister Otto Schily.

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Abstimmungs-Computer

Von der Öffentlichkeit fast unbemerkt (!) hat sich bei den Bundestagswahlen 2005 eine technische Besonderheit verbreitet: In mehr als zweitausend Wahlbezirken wurde mit „Wahlcomputern“ abgestimmt. Deshalb haben der Politikwissenschaftler Prof. Dr. Joachim Wiesner (71) und der Softwarespezialist Dr. Ulrich Wiesner (38) beim Bundestag Einspruch gegen das Ergebnis der Wahl vom 18. September und 02. Oktober 2005 eingelegt (Az. WP 108/05 und WP 145/05). Die Beiden haben außerdem in einer grundlegenden interdisziplinären Studie (s. Anhang, letzter Titel) die verfassungs- und wahlrechtliche Unzulässigkeit der bei der Bundestagswahl 2005 eingesetzten Wahlgeräte der holländischen Firma NEDAP erarbeitet.

Ihren Wahleinspruch begründeten sie zunächst mit der fehlenden „Öffentlichkeit“ der Wahl bei der Computer-Anwendung und den daraus resultierenden fehlenden Kontrollmöglichkeiten des Ergebnisses – eben durch die Öffentlichkeit. In ihrer nachfolgenden Untersuchung ergänzen sie nunmehr ihre Mängelrüge mit der fehlenden „Amtlichkeit“ des Wahlgeschäfts, nämlich wegen der nicht möglichen Kontrolle des apparativen Wählens, Zählens und Feststellens durch amtliches Handeln seitens der Wahlorgane am Wahltag. Die Möglichkeit einer öffentlichen Kontrolle und ebenso der ordnungsgemäßen rechtstaatlichen Amtsführung durch gesetzlich begründete Wahlorgane sei jedoch die wesentliche verfassungsrechtliche und politische Voraussetzung für demokratische Wahlen überhaupt.

„Das unterscheidet Wahlen in der Demokratie grundsätzlich von Scheinwahlen in Diktaturen (wie z.B. in der vormaligen DDR)“, stellen die Einsprecher fest.

 

Rechtsgrundlagen in der Bundesrepublik

Der Einsatz von Wahlcomputern wird durch das Bundeswahlgesetz ermöglicht und ist in der „Bundes-Wahlgeräte-Verordnung“ im einzelnen – wenngleich rechtlich unzulänglich, wie die Beiden vortragen - geregelt. Diese Verordnung von 1975 war für den Einsatz der seinerzeit absehbaren mechanischen Wahlapparate erlassen worden; sie ist seither in ihren Bestimmungen nur unzulänglich geändert worden und wird der in drei Jahrzehnten fortgeschrittenen elektronischen Informationstechnologie in keiner Weise mehr inhaltlich und gesetzessprachlich gerecht.

Die Verordnung sieht vor, daß Wahlgeräte (eben: „Abstimmungs-Computer“) nach Begutachtung durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt vom Bundesministerium des Innern zugelassen werden. Danach liegt es im Ermessen der Gemeinden, ob sie solche Wahlgeräte anschaffen und einsetzen wollen. Die nun beanstandeten Geräte der niederländischen Firma NEDAP haben zwar dieses Zulassungsverfahren erfolgreich durchlaufen und sind in Köln erstmalig schon vor sechs Jahren zum Einsatz gekommen. Inzwischen wurden ca. 2.150 Geräte in ca. 39 Wahlkreisen von fünf Bundesländern zum Teil flächendeckend eingesetzt – zweieinhalb Millionen Wähler haben damit gewählt.

 

Aber das Zulassungsverfahren ist rechtlich und prüftechnisch defizitär.

Der Einsatz der Geräte ist verfassungswidrig.

 

„Der Haken daran“ ist nämlich: Die Geräte verzichten auf eine geräteunabhängige Kontrollmöglichkeit des Wahlergebnisses (etwa durch persönliche Inaugenscheinnahme durch die Wahlvorstände oder durch Dritte wie bei Stimmzettelwahlen oder durch ein Papierprotokoll) - ja sie machen es sogar unmöglich, das Zustandekommen des Wahlergebnisses überhaupt zu kontrollieren. Und gerade das wurde im Zulassungsverfahren nicht beanstandet. Außerdem sind die NEDAP-Geräte technische Altertümer.


Demokratie und Rechtsstaat: Öffentlichkeit und Amtlichkeit

Die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen und Bedingungen dafür, daß Parlamentswahlen allgemein, unmittelbar, frei, gleich und geheim durchgeführt werden, sind, daß ihre konkrete Organisation nicht das Demokratie-Prinzip und nicht das Rechtsstaats-Prinzip verletzt. Diese tatsächliche Verletzung aber monieren die beiden Einsprechenden.

Der demokratischen Kontrolle wegen und zwecks Garantie von „sauberen Wahlen“ schreibt das Bundeswahlgesetz die „Öffentlichkeit“ bei der Durchführung von Wahlen vor. Öffentlich sein muß schon die Wahlvorbereitung – etwa die Zulassung der Kandidaten und der Parteien-Listen oder die Offenlegung der Wählerlisten. Die konkrete Wahlhandlung muß erst recht öffentlich sein: Jedermann hat Zutritt zu den Wahllokalen als friedlicher Beobachter und darf dabei zusehen, wie die Wähler sich gegenüber Amtsträgern ausweisen, wie ihre Teilnahme in den amtlichen Wählerlisten „abgehakt“ wird, wie sie ihren amtlichen Wahlzettel in die Urne werfen - und nicht zuletzt: daß die Urne bis zum Wahltagsende verschlossen bleibt. Nach Wahlschluß ist die Auszählung aller Wahlzettel ebenfalls öffentlich und amtlich. Geradezu „pingelig“ schreiben Wahlgesetz und Wahlordnung das amtliche und öffentliche Vorgehen vor, wie die Zettelhaufen zu sortieren sind, daß beim Auszählen jede Stimme auf ebendiesen Zetteln laut vorgelesen werden muß, wie die Endergebnisse protokolliert und kontrolliert werden müssen usw. usw. Jeder Einzelschritt wird amtlich durch Wahlorgane vorgenommen, und alle Wahlorgane werden amtlich bestellt, und alles ist öffentlich einsehbar.

 

Öffentlichkeit und Amtlichkeit als Organisationsmethoden sind somit die folgerichtige organisatorische Konsequenz der politisch-philosophisch begründeten und durch das Grundgesetz formulierten Prinzipien der Demokratie und des Rechtsstaats. Nur durch Öffentlichkeit und Amtlichkeit werden Verfahren und Ergebnisse durchschaubar und damit kontrollierbar gemacht, werden unsaubere Wahlen und Manipulationen verhindert. Behördliche Methoden, die außerhalb der Öffentlichkeit handeln, vermögen das jedoch nicht. Eben diese Kontrolle durch Öffentlichkeit und amtliche Wahlorgane ist jedoch bei den NEDAP-Geräten nicht gegeben.

Der Einsatz dieser Wahlcomputer verstößt in vielfacher Weise gegen geltendes Recht“, hebt der Politikwissenschaftler Joachim Wiesner hervor. „Die Art und Weise, in der bei diesen Geräten das Ergebnis festgestellt wird, stellt sogar eine geheime Auszählung dar. Eine solche ist schlicht verboten.“ Das Bundesverfassungsgericht hat das bestätigt. Deshalb ist der Einsatz dieser NEDAP-Geräte von Anfang an rechtswidrig und deswegen ist jedes hiermit zustande gekommene Wahlergebnis von Anfang an nichtig. Wenn trotzdem gewählt wurde, so sind diese Veranstaltungen gewissermaßen „Nicht-Wahlen“ gewesen. Aus der Nichterwähnung des Öffentlichkeitsprinzips und des Amtlichkeitsgebotes in der Wahlgeräteverordnung dürfe jedenfalls nicht geschlossen werden, es dürfe bei der Wahlvorbereitung, bei der Wahlhandlung und bei der Ergebnisauswertung auf diese Prinzipien verzichtet werden. Das Öffentlichkeitsprinzip und das Amtlichkeitsprinzip sind nämlich unveräußerliche Grundlagen aller demokratischen Kontrolle und aller ordnungsgemäß rechtsstaatlichen Durchführung von Wahlen“, betont der Wahlsystem-Forscher. Auch in der wissenschaftlichen Literatur ist das unbestritten.


Ein vernichtender Verriß: Die irische Wahlgeräte-Kommission (2004)

Die Regierung der Republik Irland, welche die NEDAP-Geräte für die letzten Europa-Wahlen ebenfalls angeschafft hatte, mußte nach heftigen öffentlichen Protesten gegen deren Einsatz eine unabhängige Expertenkommission einsetzen. Diese – interdisziplinär hochkarätig besetzte – Kommission sah sich allerdings in ihrem (Ende 2004 veröffentlichen) Abschlußbericht außerstande, den Einsatz solcher Geräte zu empfehlen. „Der Bericht der Kommission liest sich wie ein Krimi“, sagt Software-Experte Ulrich Wiesner. „Die irischen Gutachten weisen sowohl auf konzeptionelle Mängel als auch auf konkrete Sicherheitslücken der Geräte hin: Die Gutachter der Dublin City University schätzen, daß zwei Minuten ausreichen (!), um mit wenigen Handgriffen die auf den Wahlcomputern installierte Software gegen eine manipulierte Version auszutauschen. Sogar eine detaillierte Bedienungsanleitung zum Aushebeln der Sicherheitsmerkmale der PCs, mit denen die Geräte für den Einsatz im Wahllokal konfiguriert werden, findet sich im Kommissionsbericht“, informiert Dr. Ulrich Wiesner. Außerdem entsprächen die Geräte nicht mehr dem rechtlich vorgeschriebenen „Stand der Technik“, sondern seien in ihrer technologischen Qualität veraltete Geräte nach dem „technischen Stand“ der achtziger Jahre, zitieren die Beiden den irischen Kommissionsbericht. Aber ebenso würden die bestehenden rechtlichen Vorschriften für Abstimmungs-Computer in Deutschland nicht denjenigen Verfassungs- und Wahlrechtsvorschriften entsprechen, wie sie für die persönlich-präsente Stimmzettelwahl und für die Briefwahl vorgegeben sind, bekräftigen Wiesner und Wiesner übereinstimmend.

 

Es ist schon erstaunlich, dass der Einsatz von Abstimmungs-Computern hierzulande kaum kritisch diskutiert wird, während in den USA, Irland und anderen Ländern eine heftige kritische Debatte geführt wird,“ wundert sich der IT-Spezialist. Und er hat einen einleuchtenden Vergleich parat: „Stellen Sie sich vor, Ihre Bank verzichtet künftig darauf, einzelne Kontoauszüge zu erstellen, und teilt Ihnen nur noch am Monatsende die Summe aller Zahlungen mit. Dann können Sie nicht mehr nachvollziehen, wie der Konto-Endstand überhaupt zustande gekommen ist.“ Genau diese nachvollziehende Kontrollmöglichkeit fehlt aber sowohl der Wählerschaft und der Öffentlichkeit als auch den amtlichen Wahlorganen im Wahllokal bei dem per NEDAP-Wahlcomputer zustande gekommenen Wahlergebnis. Letztendlich kann sich der Wähler nicht einmal mehr sicher sein, ob seine Stimme – vergleichbar dem Einwurf des Zettels in die Wahlurne – im Wahlgerät angekommen ist und dort manipulationsfrei aufbewahrt wird, ob also dort wahrheitsgemäß dokumentiert wird, daß er überhaupt und wie er gewählt hat.


Der deutsche Skandal

Es gilt zuallererst, die Rechtsordnung für die organisatorische Durchführung von Wahlen zu beachten, erst dann das tadellose technische Funktionieren von Apparaten.

 

Denn: Wahlgeräte sind keine Eichgeräte, keine Labor-Apparate und keine Glücksspiel-Automaten, mit deren Prüfung es die Physikalisch-Technische Bundesanstalt sonst zu tun hat und bei deren Konstruktion man durchaus ebenfalls Rechtsnormen zu beachten hat: das Strafrecht wegen Vermeidung des Betrugs und das Zivilrecht wegen der Gefahr des Schadensersatzes.

Es geht bei den Abstimmungscomputern nicht nur darum, daß sie richtig und schnell rechnen können und nicht pfuschen oder daß die Ergebnisse schnell präsentiert werden können und daß die Wahlvorstände dann weniger Arbeit haben, so daß die Zahl der Wahllokale verringert werden kann – lauter Argumente für den Einsatz solcher Wahlapparate, wie sie inzwischen von einigen Wahlämtern und durch die deutsche Vertriebsgesellschaft der holländischen Gerätefabrik als „Erfolgsberichte“ vorliegen und geradezu glücklich verkündet werden.

 

Es geht vielmehr rechtsgrundsätzlich darum, daß Abstimmungsinstrumente – gleichgültig wie und von wem sie gebaut sind – die verfassungsrechtlichen und wahlrechtlichen Normen, die für demokratische Wahlen unabdingbar sind, erfüllen. Nicht mehr, aber schon gar nicht weniger! „Verursacht hat die ganze Misere das Bundesministerium des Innern, das vor den beiden Wahlen von 2002 und 2005 jeweils diese NEDAP-Geräte zugelassen hatte, obwohl deren Systemmängel so offensichtlich sind, daß jeder Wahlrechtsfachmann sie wie ein Blinder mit der Krücke erkennen konnte“, sagt süffisant Prof. Wiesner. „Aber im Hause Schily hatte man wohl weniger Wichtiges zu tun als seine Dienstpflicht zu erledigen, statt den wichtigsten Staatsakt des Souveräns „Deutsches Volk“, nämlich die Wahlen, sorgfältig zu besorgen.“ In der juristischen Literatur (schon 2002) und durch den irischen Kommissionsbericht im Internet (schon Ende 2004) waren das Rechtlich-Grundsätzliche und die speziellen Defekte der NEDAP-Geräte öffentlich und weltweit bekannt. „Das hätten ‚Die’ wissen müssen, wenn sie kompetent ihr Amt versehen hätten“, kennzeichnet der Staatsbürger Prof. Wiesner das Fehlverhalten des Ministeriums empört: „Was für Leute haben uns eigentlich regiert?“

Was nun?

Über den Wahleinspruch muß nun der Bundestag als erste Wahlprüfungsinstanz entscheiden. Die Entscheidung wird zunächst vom Bundestags-„Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung“ vorbereitet. Das Wahlprüfungsgesetz sieht vor, daß zu jedem Einspruch, wenn er nicht „offensichtlich unbegründet“ ist, auch eine öffentliche Verhandlung anberaumt wird. Außerdem muß bei Revision des Wahlergebnisses eine erhebliche Verschiebung der Mandatszahlen erkennbar sein. Das haben die beiden Einsprechenden quantitativ höchst glaubhaft gemacht. Ca. 2,5 Mio. ungültig – weil rechtswidrig – zustande gekommene Stimmen stellen mehr als fünf Prozent der am 18. September 2005 abgegebenen Stimmen dar. Zwölf Prozent aller Abgeordneten könnten davon betroffen sein – ein Achtel des Bundestages!


Sollte der Bundestag den Wahleinspruch abweisen, so steht den Beschwerdeführern noch der Weg zum Bundesverfassungsgericht offen. Denn unter Würdigung der Rechtsgründe – nämlich Verletzung des Demokratie- und des Rechtsstaatsprinzips sowie des Öffentlichkeits- und des Amtlichkeitsgebots – und nach den „Verrissen“ der irischen Regierungskommission sowie unter Berücksichtigung der Mandatsrelevanz wird ein Abwimmeln des Einspruchs für den Bundestag (und wohl auch für das Verfassungsgericht) nicht mehr so einfach sein. – Wenn – wie gesagt – es mit rechten = rechtsstaatlichen Dingen zugeht und die Entscheidung nicht „auf die lange Bank geschoben“ wird, so daß sie sich dann „durch Zeitablauf (von selbst) erledigt.“


In der publizistischen Öffentlichkeit – Presse, Rundfunk, Fernsehen – ist im übrigen dieses Thema überhaupt nicht beachtet – geschweige denn kritisch reflektiert worden. Dabei stellen diese Vorgänge nichts Geringeres dar als einen echten Verfassungsskandal, den das Innenministerium unter Minister Otto Schily MdB zu verantworten hat.

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Biographische Notizen zur Person der Autoren (= Einsprechenden)

Dr. rer. nat. Ulrich Wiesner (38) arbeitet für ein amerikanisches Software-Unternehmen und berät als Software-Spezialist seit Jahren Banken in aller Welt bei der Einführung von Computer-

Anwendungen im Bereich der Konsumentenkredite. Er ist diplomierter und promovierter Physiker und lebt in Neu-Isenburg bei Frankfurt.

Prof. Dr. phil. Joachim Wiesner (71) war bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1999 hauptberuflich Professor der Politikwissenschaft einschließlich Sozialpolitik und der Empirischen Sozialforschung an der Katholischen Fachhochschule Nordrhein-Westfalen, Abteilung Köln; zugleich lehrte er seit 1973 als Privatdozent der Poltischen Wissenschaft in der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln. In seiner wissenschaftlichen Arbeit hat er sich unter anderem mit dem internationalen Vergleich von Wahlsystemen und deren Einfluß auf die politische Stabilität parlamentarischer Systeme in unterschiedlichen Ländern beschäftigt. - Joachim Wiesner lebt heute in Bonn.

 

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Literatur- und Recherche-Hinweise zum Elektronischen Wählen

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Informationen über die NEDAP-Geräte sind im Internet erreichbar über www.wahlsysteme.de. Die Firma hat auch eine Kundenliste erstellt.

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Eine zweiseitige zusammenfassende Darstellung der NEDAP-Geräte findet sich bei
Richard Sietmann: Dreimal drücken – fertig?, in: c’t - Magazin für Computertechnik, 19/2005, 02.09.2005 (Siehe auch
http://www.heise.de/ct/05/19/054/).

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Der vollständige Bericht der Irischen Kommission für Elektronische Wahlen (Commission on Electronic Voting CEV) ist im Internet unter www.cev.ie/htm/report/first_report.htm abrufbar.

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Eine lesenswerte kritische Einschätzung der Abstimmungscomputer generell aus juristischer Sicht findet man bei Martin Leder: Der Einsatz von Wahlgeräten und seine Auswirkungen auf die Amtlichkeit und Öffentlichkeit der Wahl, in: Die Öffentliche Verwaltung, August 2002 - Heft 15. S. 648-654.

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Die relevanten Gesetzestexte (Bundeswahlgesetz und Bundeswahlordnung, Bundeswahlgeräteverordnung, Wahlprüfungsgesetz) sind auf den Internetseiten des Bundeswahlleiters verfügbar; sie sind auch bei Wolfgang Schreiber (s.nachfolgend) abgedruckt: www.bundeswahlleiter.de/bundestagswahl2005/informationen/rechtsgrundlagen.html

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Der juridische Gesamtkomplex der Grundlagen und Rahmenbedingungen von Bundestagswahlen ist erschöpfend behandelt bei:

Wolfgang Schreiber: Handbuch des Wahlrechts zum Deutschen Bundestag, Kommentar zum Bundeswahlgesetz, 7. neubearbeitete und erweiterte Auflage, Köln usw., Carl Heymanns Verlag, 2002; mit einer (separaten) Ergänzungsinformation zur Bundestagswahl 2005.

 

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Wolfgang Schreiber bietet in seiner Kommentierung zu § 35, Abs. 4 BWG, einen informativen Exkurs zur Internet-Wahl, in dem er die befürwortenden und die widersprechenden Argumente auflistet, einen solchen Systemwechsel letztlich jedoch kritisch bewertet als „insgesamt ... in hohem Maße problembehaftet und jedenfalls derzeit nicht realisierungsfähig“ (S. 516 ff, Rdnr. 9).

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Eine ausführliche juristische Abhandlung zu elektronischen Wahlen (allerdings schwerpunktmäßig auf das Problem der Abstimmung per Internet ausgerichtet) hat soeben der Staatsrechtler Prof. Dr. Ulrich Karpen, Universität Hamburg, vorgelegt:
Ulrich Karpen: Elektronische Wahlen? - Einige verfassungsrechtliche Fragen, Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft, 2005. – Zu Wahlgeräten und zur Bundeswahlgeräte-Verordnung kritisch dort S. 35 f.

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Prof. Karpen hat in einem interdisziplinären (juristisch-informationstechnologischen) Fachgespräch mit der Zeitschrift c’t (s.o.) ebenfalls die verfassungsrechtliche Unzulässigkeit des Einsatzes der Wahlgeräte der jetzigen Bauart konstatiert, und zwar wegen mangelnder Öffentlichkeit, siehe

Richard Sietmann: E-Voting versus Verfassung. Rechtliche Bedenken bei elektronischen Wahlmaschinen in Deutschland, in: c’t, Heft 1, 2006 (vom 27.12.2005), S.80-82.

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Council of Europe – European Commission for Democracy through Law (Venice Commission): Report on the Compatibility of Remote Voting and Electronic Voting with the Standards of the Council of Europe, adopted by the Venice Commission at its 58th Plenary Session (Venice, 12-13th March, 2004) – on the basis of a contribution of Mr. Christoph Grabenwarther (substitute member, Austria). Strasbourg, 18th march, 2004, Study no. 260/2003 = CD-AD/(2004)012 – 70 numerierte Absätze. Diese Studie versucht, ein Tableau von internationalen und interdisziplinären Kategorien zu erarbeiten, die beim elektronischen Wählen zu beachten sind. Die Ergebnisse stützen unsere Aussage.

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Eine informationstechnologisch-verfassungstheoretische Pionierstudie ist ein US-amerikanisches Forschungsprojekt zweier führender Universitäten: California Institute of Technology and The Massachusetts Institute of Technology (Editors): Report of The Caltech/MIT Voting Technology Project: Voting – What is, What could be (2001), abrufbar unter www.votecaltech.edu/reports/index.

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Einen kurzen Einblick in die IT-Diskussion und die Gesetzgebung zum Electronic Voting in den USA bietet Richard Sietmann: Trial and Error. Streit um technische Richtlinien für US-Wahlcomputer, in: c’t (wie zuvor Punkt 2) 2005, Heft 17.

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Eine seltene kritische Stimme aus der deutschen Presse ist Jakob Klein: Bitte keine Kreuze machen!, in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 21.08.2005, Nr. 33, S. 58.

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Die beiden Einsprechenden haben eine umfangreiche interdisziplinäre Untersuchung abgeschlossen und haben diese bei einer wissenschaftlichen Zeitschrift eingereicht (oder werden sie als eigenständige Publikation veröffentlichen); (demnächst) Joachim Wiesner und Ulrich Wiesner : Über die Verfassungs- und Rechtswidrigkeit des Einsatzes von bestimmten „Abstimmungs-Computern“ bei der Bundestagswahl 2005 und über deren Folgen (Stand: Januar 2006).

 

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Stand: 08.11.06